Home
Schlüssel-Schloss
Narzissmus
Empathen



 
Das Schlüssel-Schloss Prinzip

Das Netz ist voll von Texten über narzisstische Männer, seltener Frauen, die hungrigen Wölfen gleich in der Welt umherziehen, hilflose Rotkäppchen zum Opfer ihrer bösen Absichten machen, sie verkleidet im Schafspelz verführen, sie willenlos machen, um sie dann zu dommieren, zu benutzen, auszubeuten und psychisch zu demontieren.

Bei all der Faszination, die ein Narziss ausüben kann, eine Beziehung mit ihm ist eine Herausforderung an die eigene Selbsterkenntnis, das eigene Selbstwertgefühl und an die Selbstliebe.

Jedesmal, wenn mir ein narzisstischer Mann begegnete, rief mein seelisches Schloss ihm zu: "Hier passt dein Schlüssel!"

Ich habe mich nicht getäuscht, er passte perfekt, ich war berauscht. Nie hatte ich derart leidenschaftliche Gefühle, nie ein solches Hochgefühl, nie so ein intensives Gefühl von Verliebtstein ... wie in den ersten Monaten mit einem Narzissten. Der "Schlüssel" passte perfekt.

Unbewusstes erkennt Unbewusstes blind.

Das Schlüssel-Schloss Prinzip bedeutet in der Psychologie das Zusammenpassen von Reaktionspartnern wie der Schlüssel in ein Schloss. Aber was heißt das genau?
 
Zwei Menschen geraten in eine Kollusion. Darunter versteht man ein unbewusstes Arrangement, in dem die Rollenverteilung von vorne herein klar ist und die Interaktionsmuster im gegenseitigen Einvernehmen unbewusst abgespult werden. Das dazu gehörende Drehbuch ist die Vorlage für ein Drama, in dem die Protagonisten einander perfekt ergänzen, allerdings nicht zu ihrem Besten. Wie gesagt: Ein Drama, keine Romanze.
 
Jede Kollusion beruht auf unbewussten inneren Motiven. Die äußerlich scheinbar überein-stimmenden Interessen, die die Protagonistenin Resonanz bringen, erweisen sich in der Regel im weiteren Verlauf der Beziehung als dysfunktional, destruktiv und selbstlimitierend.

Gegensätze ziehen sich an, wie man so schön sagt.
 
Nach diesem Motto kommt es häufig zu Beziehungen zwischen einer Frau mit einer sensiblen, aber im Tiefsten eher selbstunsicheren Persönlichkeit und einem narzisstischen Mann. Oder umgekehrt.
 
Was dem Einen fehlt, hat der Andere zu bieten und beide suchen das Gleiche: Bewunderung, Anerkennung, Wertschätzung und Liebe. Der Narziss für sein schwaches Selbstwertgefühl, das sich hinter seiner scheinbaren Grandiosität und Eloquenz versteckt, die selbstunsichere Frau für ihre mangelnde Eigenliebe und das Gefühl nicht liebenswert zu sein, das sich hinter Fürsorglichkeit, Empathie und Liebesfähigkeit versteckt. Beide verbindet das unerfüllte Bedürfnis nach wertvoll sein, welches ihnen in der Kindheit vorenthalten oder zerstört wurde. Beide leiden an einem Hunger der Erfüllung ihrer kindlichen Bedürfnisse, der nicht gestillt werden konnte.
 
Der Narziss fühlt sich magisch von Frauen angezogen, die von außer-ordentlicher Gefühlstiefe sind, weil er genau diese nicht hat. Sobald er -
nach der Lovebombing-Phase - in seinem "System" wieder angekommen ist, sind
ihm diese Gefühle zu viel - zu viel Nähe, mit der er nicht umgehen kann.
 
Er spielt Gefühle, er spiegelt sie meisterhaft, er lebt von Inszenierungen in jedem Lebensbereich. In seinem Inneren ist eine große Leere, die er füllen muss, um sich nicht emotional aufzulösen und sich selbst zu spüren.
 
Die selbstunsichere Frau hat ein fragiles Gefühl für den eigenen Wert. Sie sucht die Liebe,
die ihr in der Kindheit verwehrt blieb. Sie sucht einen Partner, der ihr den guten Elternteil ersetzen soll, den sie nicht hatte. Stark, haltgebend, liebevoll, fürsorglich, verstehend, beschützend und selbstsicher.
 
Genauso wirkt der Narziss auf den ersten Blick.
 
Er scheint es zu sein, der ihre schmerzhafte Sehnsucht erfüllen kann. Dafür ist sie bereit viel zu geben und im Laufe der Beziehung viel zu ertragen, immer in der Hoffnung, dass sie sich doch nicht getäuscht hat, weil sie emotional im Anfang der Beziehung feststeckt, in diesem unvergleichlichen Glücksgefühl. Damals, am Anfang, hat er ihr doch all das auf dem Silbertablett, garniert mit roten Rosen, serviert (Lovebombing).
 
Sie hält an ihm fest, egal wie wenig das Jetzt mit dem Damals noch zu tun hat, im falschen Glauben, je mehr sie gibt, je mehr sie erträgt, irgendwann wird sie sein kaltes Herz zum Schmelzen bringen und der wunderbare Mann, der sie einst auf Händen getragen hat, kommt wieder zum Vorschein.
 
Das tut er nicht, denn er ist nicht wunderbar.
 
Er ist allenfalls ein wunderbarer Schauspieler, der seine Rolle jedoch nicht durchhalten kann, weil ihm seine Persönlichkeit in die Quere kommt, sein Machthunger, der als Kompensation für die eigene innere Ohnmacht und das tief verankerte Kleinheitsgefühl, dient. Dieses Gefühl darf nicht gefühlt werden. Es ist so alt wie er selbst und es zu fühlen, würde sich ebenso vernichtends anfühlen, wie es sich angefühlt hat, als er ein kleiner Junge war.

Es ist tragisch, Rotkäppchen hat schon zu Beginn des Dramas verloren.
Die Kollusion bringt nur Leid, das der Narziss aber nicht spürt, die selbstunsichere Frau jedoch in eine tiefe Krise stürzen kann, die ihr sowieso schon fragiles Selbstwertgefühl zerbröselt.
 
Schlüssel und Schloss - ein Drama, das beide Mitspieler braucht.
 
Ein Drama in dem es keinen Sinn macht von Schuld zu sprechen. Ein Drama in dem es den Wolf gibt und das Rotkäppchen. Beide sind Opfer einer Kindheit in der es keine bedingungslose Liebe gab oder sogar Missbrauch und endlose Demütigungen. Beide sind Opfer, die zu Tätern werden, am anderen und an sich selbst. Nur dass einer leidet und der andere nicht, aber so tut, als leide er.
 
Das Rotkäppchen hat, wenn es sein eigenes inneres Drama erkennt, die Chance es besser zu machen - für sich selbst, indem es lernt sich sich selbst fürsorglich, wertschätzend und liebevoll zuzuwenden. Das ist die Lektion, die es lernen darf.
 
Der Narziss muss verlassen werden, um zu genesen.
 
Wer in eine solche Kollusion verstrickt ist oder es war, weiß wie schwer das ist und wie viel Schmerz, Diziplin, Wille und Kraft das kostet.
 
Rotkäppchen darf dazu lernen. Denn nur dann wird es verstehen - sich selbst und seinen Co-Narzissmus, seine kindliche Bedürftigkeit nach Liebe, die der Fallstrick ist, der ihm solche Begegnungen immer wieder beschert. Es darf sich seiner Kindheitswunde stellen, die es in dieses destruktive Unliebespiel treibt. Einsicht satt Aus(sen) Sicht. Sich sich selbst zuwenden, anstatt am "bösen Täter" festzukleben, ihn zu verdammen und auf diese Weise das Drama wieder und wieder, mental und emotional zu reinszenieren. Wunden, an denen wir ständig kratzen heilen nicht.
 
Verwundete Seelen heilen langsam und nur dann, wenn die Wunde gesäubert, versorgt und in Ruhe gelassen wird.
 
Der Narziss wird sein Drama bedauerlicherweise nicht erkennen (wollen).
 
Es würde ihm den Boden seiner fragilen Scheinexistenz unter den Füßen wegreißen.
 
Wahr ist: Er kann nicht lieben, denn dazu müsste auch er lernen sich selbst zu lieben, denn die fehlende Selbstliebe ist der tiefe Kern der narzisstischen Persönlichkeitsstörung.

In Wahrheit ein bedauernswertes nicht erwachsen gewordenes tief gekränktes, verletztes, wütendes, einsames Kind, das ein Leben lang nach Anerkennung schreit und sie nicht erfahren kann. Es sei denn, der erwachsene Teil dieses Menschen ist bereit in die Bodenlosigkeit zu fallen und sich dort selbst zu begegnen.
 
Text wurde teilweise kopiert bei
Angelika Wende